EU-Parlament legt ACTA zu den Akten

Anti-Acta-Aktivisten in Paris (AFP)

Nach jahrelangem Tauziehen und massiven Bürgerprotesten ist das Urheberrecht-Abkommen ACTA in der Europäischen Union vom Tisch. Das Europaparlament lehnte den Vertrag, den die EU-Kommission mit zehn Drittländern ausgehandelt hatte, mit großer Mehrheit ab. Damit kann das Abkommen, das den Schutz geistigen Eigentums in der Realwirtschaft und im Internet verbessern sollte, in der EU nicht in Kraft treten.

ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) sah unter anderem verstärkte Zollkontrollen vor, mit denen die Einfuhr gefälschter Markenwaren etwa aus Fernost bekämpft werden sollte. Er betraf aber auch das illegale Herunterladen von Musikdateien oder Filmen im Internet. Tausende Demonstranten hatten daher in mehreren EU-Staaten gegen mögliche Einschränkungen der Freiheit im Internet protestiert. Bedenken äußerten auch Datenschützer.

Ausgehandelt hatte die EU das Abkommen unter anderem mit den USA, Australien, Kanada, Japan, Korea und der Schweiz. Indien und China – wo besonders viele gefälschte Markenprodukte herstellt werden – sind jedoch keine Vertragsparteien. Einem Kommissionssprecher zufolge könnte ACTA auch ohne Beteiligung der EU in den übrigen beteiligten Ländern in Kraft treten. Dazu sei die Ratifizierung in mindestens sechs Staaten notwendig. Es sei aber fraglich, ob die Übereinkunft ohne die EU, dem weltweit größten Handelspartner, für die übrigen Staaten noch sinnvoll sei.

EU-Handelskommissar Karel De Gucht kündigte weitere Schritte an. Das Problem des Schutzes geistigen Eigentums „verschwindet nicht“, sagte er nach dem Votum. Die Kommission werde zunächst ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu ACTA anwarten. „Wir werden dann mit unseren internationalen Partnern besprechen, wie wir bei dem Thema weitermachen“.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) bedauerte das Votum, das der deutschen Wirtschaft „internationale Nachteile“ beschere. Der BDI hoffe nun auf ein reduziertes Abkommen, das sich auf den „unstrittigen Teil der Produktpiraterie“ konzentriere, sagte ein Sprecher.

Der Chef des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), nannte die ACTA-Ablehnung in einem Gastbeitrag für die „Welt“ vom Donnerstag hingegen einen „Meilenstein der europäischen Demokratie“. Die grüne Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, sprach von einem „großen Tag für alle, die in den vergangenen Monaten gegen ACTA auf die Straße gegangen sind“. Die französische Europaabgeordnete der Grünen, Sandrine Bélier, erklärte, das Europaparlament habe auf den Appell der Bürger gehört.

Der SPD-Abgeordnete Bernd Lange forderte die Brüsseler Kommission auf, nun endlich einen Gesetzesvorschlag zur Durchsetzung der Urheberrechte in der EU zu erarbeiten. Dabei müssten die Grundrechte der Bürger gewahrt und gleichzeitig die Interessen von Kulturschaffenden geschützt werden.

Abgeordnete aus dem konservativen Lager bedauerten das Nein zu ACTA. Damit habe die Mehrheit des Parlaments „gegen Arbeitsplätze und Verbraucherschutz“ gestimmt, meinte der CDU-Politiker Daniel Caspary. Die französische Konservative Murielle Gallo verwies auf Erhebungen der EU-Kommission, denen zufolge die Unternehmen in der EU durch Produktpiraterie pro Jahr rund 250 Milliarden Euro verlieren. Jährlich gingen dadurch etwa 100.000 Arbeitsplätze verloren.

Quelle: AFP | Johanna Leguerre